Samstag, 8. August 2015

Original oder (fast) Original?

Die Suche nach einem neuen Zylinder führte mich zu einigen unerwarteten Einsichten und erforderte zudem eine Entscheidung, die den angestrebten Originalzustand von 1973 betraf.

Die erste Recherche ergab, dass es für die Kreidler-Automatikmotoren immer noch neue Kolben und Zylinder gibt, jedoch zu gesalzenen Preisen und in unterschiedlicher Qualität. Ich habe mir vorgenommen, hinsichtlich der Qualität keine Abstriche zu machen und auf eine Mahle/Mahle-Kombination für Kolben und Zylinder zu setzen. Die Firma Mahle war der Zulieferer der Firma Kreidler, und die Langlebigkeit ihrer Produkte ist sicherlich auch ein Grund für den guten Ruf der Kreidler-Bikes.

Im Internet fand ich eine Mahle/Mahle Kombination für etwa 330 €, eine Kombination von Mahle-Zylinder mit Meteor-Kolben gibt es für rund 240 -270 €. 

Ich fragte beim Kreidlerdienst in Kornwestheim nach. Auch die Spezialisten verkaufen seit etwas 15 Jahren Mahle-Zylinder mit Meteor-Kolben und haben gute Erfahrungen damit gemacht. Trotzdem erklärte man sich bereit, auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin eine Mahle/Mahle-Kombination im Lager zusammenzustellen.

Mit der Bestätigung, dass eine reine Mahle-Kombination vorrätig wäre, erhielt ich auch gleich die Frage, ob der Zylinder mit der Bohrung für das Dekompressionsventil oder ohne geliefert werden sollte.

Um diese Frage zu beantworten, musste ich mir im Detail ansehen, wie meine MF 2 CL von 1973 einmal ausgesehen hat. Ich habe zwar die Erinnerung daran, dass das Dekompressionsventil seitlich rechts am Zylinderkopf oder Zylinder befestigt war, aber das ist über 35 Jahre her. Genauer konnte ich das Detail auf den Technikseiten des Kreidlertreffs Gießen nachvollziehen. Außerdem kenne ich ja die Motornummer meines Projektes (2 251 342).

Kreidler hat demnach die Lage des Dekompressionsventils mehrfach geändert. Im Jahr 1973 wurde technisch auf das Modelljahr 1974 gewechselt. Dieser Wechsel betraf auch den Zylinderkopf. Die ursprüngliche Version mit der Nummer 215.03.03 hatte das Dekompressionsventil rechts, bei dem Nachfolgemodell mit der Nummer 215.03.29 wanderte das Dekompressionsventil auf die Oberseite. Für meinen Motor müsste ich nach der Ersatzteilliste für das passende Baujahr den Zylinderkopf 215.03.03 (ab Motor Nr. 2 275 601 wurde der 215.03.29 verbaut) verwenden. Leider habe ich nur zwei Zylinderköpfe, einen gebrauchten 215.03.29 und einen nagelneuen 215.03.43 (ohne Bohrung für das Dekompressionsventil).

Gereinigter Zylinderkopf 215.03.29
Oberseite mit der Bohrung für das Dekompressionsventil
Um dem Baujahr des Motors zu entsprechen, hätte ich einen Zylinderkopf 215.03.03 haben müssen. Ein 215.03.29 wäre ein akzeptabler Kompromiss gewesen, da das Dekompressionsventil dabei immerhin noch im Zylinderkopf verbaut wird. Jetzt kommen aber gleich zwei Haken. Ein originalgetreuer Zylinder - ohne Bohrung für das Ventil - müsste zudem mit einem Ansaugstutzen der alten Bauform bestückt werden (gebogen, ohne Knick), den ich leider auch nicht besitze. Und zu guter Letzt wäre auch ein anderer Starterkupplungszug fällig, da der - neu gekaufte und bereits verbaute - Kupplungszug nur zu einem am Zylinder verbauten Dekompressionsventil passt. Die Außenhülle des Starterkupplungszuges ist ja zweigeteilt, damit der Zug über das Ventil bis zum Kupplungshebel am Motor laufen kann. Die Strecke zwischen Kupplungshebel am Motor und dem Dekompressionsventil ist länger, wenn das Ventil oben auf dem Zylinderkopf verbaut ist. Der vorhandene Zug (255.04.79) würde einfach nicht passen, ich hab's ausprobiert. Tasächlich hat der erforderliche Kupplungszug auch eine andere Nummer (255.04.80 für den Zylinderkopf 215.03.29).

Ich überlegte also eine Weile, während ich den alten Zylinderkopf einer gründlichen Reinigung unterzog. Die Schraube, die ein Vorbesitzer in die Bohrung für das Dekompressionsventil geschraubt hatte, ließ sich einfach entfernen. Dem eingebrannten Schmutz rückte ich mit einer Tüllenbürste, Motorreiniger und zum Schluss mit einer Dusche aus dem Hochdruckreiniger zu Leibe.

Als ich fertig war, stand mein Entschluss fest. Ich werde den neuen, unbenutzen Zylinderkopf (215.03.43) und den neuen Starterkupplungszug weiterverwenden und mir daher einen Zylinder mit Bohrung für das Dekompressionsventil bestellen. Damit kann ich alle vorhandenen Teile weiterverwenden, auch den Ansaugstutzen, und nehme eine nur kleine optische Abweichung zum Modelljahr 1973 in Kauf.

Die Bestellung ist heute abend rausgegangen. Den alten Zylinderkopf werde ich in der Bucht anbieten.



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